Ein erster inhaltlicher Impuls kam von Clara Mathäß und Sarah Jaeger vom Landesjugendbeirat, die aus ihrer Arbeit mit Jugendlichen im Alter von 12 bis 21 Jahren berichteten. Besonders deutlich wurde dabei, wie stark Leistungsdruck, Zukunftsängste und der Einfluss sozialer Medien das mentale Wohlbefinden beeinträchtigen können. Viele junge Menschen erleben Prüfungsphasen als belastend, haben Angst zu scheitern und empfinden die Zukunft als unsicher. Digitale Plattformen verstärken diese Unsicherheiten oft noch – insbesondere durch Mobbing, ständigen Vergleich und das Gefühl, Fehler nicht unbeobachtet machen zu dürfen. Auch familiäre Spannungen und fehlende emotionale Unterstützung wurden als bedeutende Belastungsfaktoren beschrieben.
In einer anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von den GRÜNEN Landtagsabgeordneten Lisett Stuppy und Fabian Ehmann, diskutierten Katrin Schwibinger, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin und Teil des Interdisziplinären Fallberatungsteam des Landesjugendamts, Rose Sözer von der Landesschüler:innenvertretung, Michael Borger, Evangelische Jugend der Pfalz und Jan Schreiner von der LandesAStenKonferenz.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die psychische Gesundheit
Im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion stand die Rolle der Corona-Pandemie als Verstärker bestehender psychischer Probleme. Es wurde deutlich, dass viele junge Menschen die psychischen Folgen der Corona-Pandemie bis heute nicht vollständig verarbeitet haben. Die Pandemie habe als Verstärker bereits bestehender Probleme gewirkt und bei vielen jungen Menschen zu anhaltender Verunsicherung und Angst geführt. Besonders der Wegfall der Schule als strukturgebender und sozialer Ort habe eine tiefgreifende Zäsur dargestellt. Darunter litten insbesondere Freundschaften und soziale Bindungen.
Die ohnehin herausfordernde Phase der Pubertät wurde durch die pandemiebedingten Einschränkungen zusätzlich erschwert, so die einhellige Meinung. Der Wegfall von Freizeitangeboten und gemeinschaftlichen Aktivitäten wurde als besonders schmerzlich empfunden, da sie normalerweise wichtige Räume für soziale Orientierung und persönliche Entwicklung bieten.
Auch im Hochschulkontext habe sich ein deutlicher Anstieg des Bedarfs an psychosozialer Unterstützung gezeigt. Die Rückkehr vom digitalen in den Präsenzbetrieb sei vielerorts schleppend verlaufen, was bei einigen Studierenden zu weiteren Belastungen geführt habe.
Aktuelle Herausforderungen für junge Menschen
Im schulischen Kontext wurden vor allem das geschwächte soziale Miteinander und die Auswirkungen der digitalen Kommunikation als Problemlagen benannt. Es existierten zwar einzelne unterstützende Initiativen, diese reichten jedoch nach Einschätzung der Teilnehmenden nicht aus, um Phänomene wie Hass im Netz oder den psychischen Druck durch soziale Medien wirksam aufzufangen.
Ferner wurde festgestellt, dass es nach wie vor an verlässlichen, niedrigschwelligen Unterstützungsangeboten fehle – sowohl in Schulen als auch an Hochschulen oder im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Gerade in ländlichen Regionen gestalte sich der Zugang zu psychosozialer Beratung oftmals schwierig. Die Pandemie habe diese strukturellen Defizite nicht nur sichtbar gemacht, sondern bestehende Ungleichheiten in der Versorgung sogar noch verschärft.
Diskriminierung als Belastungsfaktor
Ein weiterer Aspekt der Diskussion war die zunehmende Bedeutung von Diskriminierungserfahrungen. Diese stellen laut den Teilnehmenden einen erheblichen Risikofaktor für psychische Erkrankungen dar – und sie treten häufig schon früh im Leben auf. Betroffen seien beispielsweise Kinder mit Migrationsgeschichte, queere Jugendliche oder junge Menschen aus ökonomisch benachteiligten Milieus. Prävention müsse deshalb deutlich früher ansetzen, etwa bereits in der Grundschule. Gleichzeitig brauche es geschulte Ansprechpersonen, die Betroffene ernst nehmen und adäquat unterstützen können.
Die digitale Welt wurde in diesem Zusammenhang differenziert betrachtet. Soziale Medien könnten zwar problematisch sein, zugleich böten sie auch Räume der
Selbstvergewisserung und Unterstützung – etwa in Form von „Bubbles“, in denen sich Menschen mit ähnlichen Erfahrungen vernetzen und gegenseitig stärken.
Perspektiven für die Zukunft
Im Rahmen einer offenen Fragerunde wurde unter anderem die Verantwortung der Erwachsenengeneration thematisiert. Viele junge Menschen hätten das Gefühl, dass ihnen nach der Pandemie zu wenig zurückgegeben wurde. Die Teilnehmenden betonten, dass die Aufarbeitung dieser Zeit nicht nur Aufgabe der Politik, sondern auch der Bildungseinrichtungen sei. Auch Auszubildende, die bei Diskussionen über Maßnahmen an Schulen oder Hochschulen außen vor bleiben, brauchen Unterstützung.
Gleichzeitig wurde ein Perspektivwechsel gefordert: Der Mensch – und insbesondere das Kindsein – müsse wieder stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Freizeitangebote und Begegnungsräume dürften nicht als freiwillige kommunale Leistung behandelt werden, sondern seien essenzieller Bestandteil kindlicher und jugendlicher Entwicklung. Auch das Ehrenamt, das für viele junge Menschen einen stabilisierenden Faktor darstelle, müsse besser anerkannt und unterstützt werden – zum Beispiel durch zeitliche Freiräume oder Berücksichtigung im Ausbildungsalltag.
Handlungsempfehlungen der Diskutant:innen
In einer Schlussrunde wurden verschiedene Anregungen und mögliche politische Handlungsfelder benannt. Unter anderem wurde darauf hingewiesen, dass zusätzliche Kassensitze für Kinder- und Jugendtherapeut:innen ein Schritt sein könnten, um lange Wartezeiten auf Therapieplätze zu verkürzen. Auch wurde angeregt, psychosoziale Beratungsangebote an Schulen und Hochschulen künftig stabiler zu finanzieren, da der Bedarf in den letzten Jahren spürbar gestiegen sei.
Darüber hinaus wurde diskutiert, inwieweit eine stärkere Praxisorientierung in der Lehrkräfteausbildung sinnvoll wäre – insbesondere im Hinblick auf Themen wie mentale Gesundheit, Konfliktbewältigung und den Umgang mit belasteten Schüler:innen. Auch die soziale Infrastruktur an Bildungseinrichtungen könne ausgebaut werden, um Unterstützung verlässlicher und weniger abhängig vom individuellen Engagement Einzelner zu machen.
Insgesamt wurde betont, dass es nicht ausreiche, über mentale Gesundheit zu sprechen – vielmehr brauche es eine stärkere Berücksichtigung des Themas in
Bildung, Politik und Gesellschaft, um jungen Menschen langfristig gute Entwicklungsbedingungen zu ermöglichen.
Wir nehmen die Anregungen gerne mit und prüfen, wo wir sie konkret in unsere politische Arbeit einfließen lassen können.