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Rechtsmotivierte Gewalt auf Rekordniveau: Wie gefährlich ist die extreme Rechte in Rheinland-Pfalz?

Im Jahr 2024 hat die politisch rechtsmotivierte Kriminalität in Rheinland-Pfalz ein alarmierendes Ausmaß erreicht. Eine Anfrage der GRÜNEN Landtagsfraktion an die Landesregierung bestätigt: Noch nie seit Beginn der Erfassung im Jahr 2001 wurden landesweit so viele rechte Straftaten registriert wie im vergangenen Jahr. Die Zahlen belegen nicht nur einen quantitativen Anstieg, sondern auch die fortschreitende gesellschaftliche Verankerung rechter Ideologien – sowohl offline als auch im Netz.

Höchststand seit Beginn der Erhebung

Die Statistik ist eindeutig: Insgesamt wurden 2024 in Rheinland-Pfalz 1.471 rechtsmotivierte Straftaten registriert. Das entspricht einem Anstieg von 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr (2023: 1.245). Damit ist die Zahl rechter Straftaten so hoch wie nie zuvor seit Einführung des Meldesystems zur politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2001.

Den größten Anteil machen Propagandadelikte aus (833 Fälle), gefolgt von Beleidigungen (264), Volksverhetzung (240) sowie Körperverletzungsdelikten (insgesamt 41 einfache und 9 gefährliche Körperverletzungen). Auch Fälle wie Sachbeschädigung, Bedrohung und verhetzende Beleidigung tauchen vielfach in der Statistik auf.

Erschreckend ist zudem, dass mehr als jede zweite Gewalttat im Bereich politisch motivierte Kriminalität in Rheinland-Pfalz einen rechten Hintergrund hatte – bei 104 registrierten Gewaltdelikten entfielen 53 Fälle auf den Bereich Rechtsextremismus, darunter 50 Körperverletzungen.

Hasskriminalität als Hauptmotiv

Mehr als 700 der rechtsmotivierten Straftaten wurden dem Oberbegriff Hasskriminalität zugeordnet. Besonders betroffen: Menschen mit Migrationsgeschichte, jüdische und muslimische Communities sowie queere und vielfältige Lebensrealitäten. Die häufigsten Zuordnungen erfolgten zu den Bereichen:

  • Ausländerfeindlichkeit: 523 Straftaten
  • Rassismus: 158 Straftaten
  • Antisemitismus: 77 Straftaten
  • Islamfeindlichkeit: 55 Straftaten
  • Frauenfeindlichkeit: 45 Straftaten
  • Feindlichkeit gegenüber sexueller Orientierung oder geschlechtlicher Diversität: 21 Straftaten

Diese Dimension macht deutlich, dass rechte Gewalt nicht nur eine abstrakte Bedrohung demokratischer Strukturen darstellt, sondern gezielt gegen konkrete Menschen und Lebensrealitäten gerichtet ist.

Internet als Tatmittel: Rechte Hetze zunehmend digital

Rechtsmotivierte Straftaten finden zunehmend im digitalen Raum statt: 374 Fälle wurden 2024 im Internet registriert. Besonders häufig waren dabei Straftatbestände wie Volksverhetzung (104 Fälle) und das Verwenden verfassungsfeindlicher Kennzeichen (229 Fälle). Diese Entwicklung zeigt: Rechte Hetze ist im Netz allgegenwärtig – und wirkt in die analoge Welt hinein.

Regionale Schwerpunkte: Wo rechte Gewalt in Rheinland-Pfalz besonders häufig ist

Besonders stark betroffen waren die Stadt Mainz (101 Fälle) und der Westerwaldkreis (97 Fälle), gefolgt vom Landkreis Mainz-Bingen (96), der Stadt Ludwigshafen (87) und Neuwied (59). Setzt man die Fallzahlen ins Verhältnis zur Bevölkerungszahl, ergibt sich ein besonders hohes Aufkommen rechter Straftaten in den Städten. Kaiserslautern (66 Fälle bei rund 104.000 Einwohner:innen = 63,7 Fälle pro 100.000), Neustadt (52,8), Trier (52,6) und Ludwigshafen (50,0) führen die Liste an. Unter den zehn Gebietskörperschaften mit den meisten Straftaten pro 100.000 Einwohner:innen finden sich nur zwei Landkreise: der Westerwaldkreis (47,0 Fäll pro 100.000 Einwohner:nnen) und Mainz-Bingen (44,6).

 Stadt oder LandkreisAnzahl FälleEinwohnerzahlFälle 100.000 Ew.
1Kaiserslautern (Stadt)66103.61263,7
2Neustadt an der Weinstraße2853.00052,8
3Trier60114.00052,6
4Koblenz59115.26851,2
5Ludwigshafen am Rhein87174.00050,0
6Westerwaldkreis97206.00047,0
7Mainz101224.03045,1
8LK Mainz-Bingen96215.28644,6
9Speyer2250.00044,0
10Landau in der Pfalz2148.34143,4
11Frankenthal (Pfalz)2049.56040,4
12LK Neuwied72181.00039,8
13Donnersbergkreis2974.78338,8
14Worms3284.00038,1
15LK Bernkastel-Wittlich42113.32737,1
16LK Germersheim45131.49234,2
17LK Ahrweiler42128.74132,6
18LK Cochem-Zell2061.53832,5
19LK Rhein-Lahn-Kreis39122.00032,0
20Pirmasens1340.94131,8
21LK Südliche Weinstraße35110.00031,8
22LK Kaiserslautern Land32106.08230,2
23LK Birkenfeld2482.62229,1
24LK Altenkirchen (Westerwald)37132.14928,0
25LK Bad Kreuznach45161.85227,8
26LK Trier-Saarburg41148.00027,7
27LK Vulkaneifel1761.00027,9
28LK Mayen-Koblenz61219.00127,9
29LK Alzey-Worms35133.43026,2
30LK Rhein-Pfalz-Kreis39154.00025,3
31LK Bad Dürkheim34134.71125,2
32LK Kusel1669.33423,1
33LK Eifelkreis Bitburg-Prüm24104.43523,0
34Zweibrücken834.00023,5
35LK Rhein-Hunsrück-Kreis19102.00018,6
36LK Südwestpfalz1395.00013,7

GRÜNE: Demokratische Zivilgesellschaft braucht mehr Schutz und Unterstützung

Für die GRÜNE Landtagsfraktion ist klar: Die Zahlen müssen ein Weckruf für die gesamte Gesellschaft sein. „Die extreme Rechte bleibt die größte Gefahr für unsere Demokratie – und die Bedrohung hat weiter zugenommen“, erklärt Carl-Bernhard von Heusinger, der Sprecher für Innen, Justiz und Demokratiepolitik,  der grünen Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz. „Nur gemeinsam können wir diese gefährliche Entwicklung stoppen.

Dabei betonen die GRÜNEN die Bedeutung zivilgesellschaftlichen Engagements. „Wir stehen fest an der Seite aller Engagierten, die klare Kante gegen rechts zeigen. Eine wachsame Zivilgesellschaft, zielgerichtete Präventionsarbeit und entschlossen handelnde Sicherheitsbehörden sind der Schlüssel, um extrem rechter Gewalt den Nährboden zu entziehen.“

Zugleich sei es notwendig, bewährte Initiativen zu erhalten und auszubauen. Präventionsprojekte, Opferberatungsstellen, Mobile Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und Demokratieförderprogramme bilden in vielen Regionen das Rückgrat der demokratischen Kulturarbeit.

Strafverfolgung: Viele Verfahren, wenig Verurteilungen

Trotz der hohen Fallzahlen und zahlreicher Ermittlungsverfahren bleibt die Bilanz bei der strafrechtlichen Aufarbeitung ernüchternd: Von 757 eingeleiteten Verfahren kam es nur in 102 Fällen zu einer Verurteilung. Obwohl das fast eine Verdopplung der Verurteilungen bedeutet (2023: 54), wurden immer noch mehr als 300 Verfahren mangels ausreichender Beweise oder wegen Geringfügigkeit eingestellt. Diese Diskrepanz zwischen dokumentierter Tat und tatsächlicher Bestrafung unterstreicht den Bedarf an besser ausgestatteten Ermittlungsbehörden, konsequenter Strafverfolgung und niedrigschwelligen Meldestrukturen.

Straftaten mit politisch rechter Motivation, darunter Volksverhetzung, Beleidigung, Propaganda oder Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder sexuellen Orientierung.

1.471 Fälle – ein Anstieg um 18 Prozent im Vergleich zu 2023 und ein Rekordwert seit 2001.

716 Fälle wurden dem Bereich Hasskriminalität zugeordnet, häufig mit rassistischem oder ausländerfeindlichem Hintergrund.

Stärkung der Zivilgesellschaft, konsequente Strafverfolgung, bessere Präventionsarbeit und dauerhafte Finanzierung demokratischer Initiativen.